Stephanie zurück und nach Florida

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In wenigen Tagen vertritt Stephanie Günsch (32) die deutschen und die Farben des SV Schmalkalden 04 bei den World Championships for Veterans in Fort Lauderdale/Florida (USA). Vorher aber trifft sie mit Sohn Ole in Meiningen Ole.

Schmalkalden – Stephanie will es ihrem Vereinskameraden Klaus-Peter Loch gleich tun. Der hatte bei der WM der Senioren 2013 Silber geholt. Er ist mitverantwortlich dafür, dass die zierliche Blondine vor einigen Jahren ihre zweite Judo-Karriere startete.
Neunjährig begann Stephanie Günsch mit dem Judo – animiert von „meiner Mama“ Annette, die mit der heutigen Schmalkalder Judochefin Angelika Wilhelm in jungen Jahren gemeinsam auf der Tatami stand. Stephanies 1988 geborene Schwester Susanne komplettiert die höchst erfolgreiche Günsch-Dynastie.
Stephanie fand sofort in die Erfolgsspur, stand bei Turnieren und Thüringer Meisterschaften auf dem Treppchen meist ganz oben und ging 1997 nach Erfurt ans Sportgymnasium. Ihr erfolgreichstes Jahr war 1999 mit Gold bei den internationalen Deutschen Meisterschaften, Bronze bei der Deutschen Meisterschaft im Einzel und Gold mit der Mannschaft, was der Seligenthälerin den C-Kader-Status einbrachte. 2002 erwarb sie noch den 1. DAN, trat judomäßig aber nach dem Sportgymnasium infolge Berufsausbildung und Verletzungen kürzer. „Nach der Geburt meines Sohnes Ole im Jahr 2008 hat es dann aber wieder gezündet“, blickt sie zurück. 2008? Ole? Richtig, es war das Jahr, in dem Ole Bischof in Peking Olympia-Gold erkämpfte. Bischof ist der Namensgeber für den Sohnemann und ein bisschen mitverantwortlich für das Come back. Genau so sehr wie auf Florida freut sich Stephanie darüber, dass sich Ole und Ole am heutigen Samstag in Meiningen persönlich treffen werden, nachdem man schon längst über SMS in Kontakt steht.
Ihr Ole war nicht einmal ein Jahr alt, da bestritt Stephanie wieder einen Wettkampf. Mit dem internationalen Tuzla-Cup 2009 in Berlin gleich ein dicker Brocken. Quasi aus dem Nichts heraus holte sie sensationell den fünften Platz. „Lochi (Klaus-Peter Loch, ebenfalls in Seligenthal wohnhaft) lag mir ständig in den Ohren, zu meinem Verein hatte ich sowieso immer Kontakt – da ging ich eben endgültig wieder auf die Tatami.“ Angelika Wilhelm dazu: „Wer einmal mit dem Judo in Kontakt kommt, bleibt irgendwie immer Judoka. Man vergisst das nicht. Erst recht nicht so eine wie Stephanie. Wie alle Günsch ehrgeizig bis unter die Haarwurzel. Kämpfer. Die können einfach nicht verlieren. Haben ihre Kämpfe oft erst in den letzten Sekunden für sich entschieden.“
Im Oktober 2015 brachte sie ihr zweites Kind Ida Helene auf die Welt, doch schon im April 2016 ging die Blondine mit ihren Vereinskameraden Loch, Tobias Danz (beide Bronze) und Norbert Börmel (5. Platz) die Herausforderung Deutsche Meisterschaft der Ü 30 in Berlin an. In ihrer jetzigen Gewichtsklasse -52 kg (früher waren es -44 oder -48 kg). Sie traf mit der Hamburgerin Falk auf eine Dauergegnerin früherer Jahre und beherrschte sie diesmal nach vielen vorherigen Niederlagen klar. Den zweiten Kampf entschied sie vorzeitig für sich, holte damit den Meistertitel und die Qualifikation für die WM.
Auf diese bereitet sie sich seitdem vor. Nahm Anfang November deshalb an einem Crosslauf in Erfurt teil. „Ich wollte einfach nur mitlaufen“ – aber sie gewann. Gegen 17-, 18jährige Sportgymnasiastinnen. Alle staunten. Eine Episode nur, wenn auch eine schöne. Der Fokus liegt auf Fort Lauderdale. Ein ganzes Team fliegt am 16. November dahin: Ihre Tochter nimmt Stephanie mit. Ihr Lebensgefährte, die Schwägerin in spé, ihre beste Freundin stehen ihr zur Seite, Schwester Susanne wird sie coachen. Eine teure Angelegenheit.
Stephanie Günsch ist deshalb dankbar über die Unterstützung der Gemeinde Floh-Seligenthal, die sie schon nach der Deutschen Meisterschaft ehrte. Sponsoren sind auch ihr Vater mit seiner Fahrschule, der Schwiegervater mit seinem Ingenieurbüro in Gotha, ihr Verein SV Schmalkalden 04. Und noch jemand. „Von der Paralympics-Siegerin Ramona Brussig habe ich die komplette Wettkampfkleidung erhalten. Ich starte in ihrem WM-Anzug!“ Wenn das kein gutes Omen ist … .
Knapp tausend Sportler haben insgesamt gemeldet, in ihrer Gewichts- und Altersklasse sind es vier. Stephanie ist optimistisch. Ein Problem, weiß auch Angelika Wilhelm, ist die vor zwei Jahren vollzogene technische Umstellung, nach der unterstützender Einsatz der Hände nicht mehr erlaubt ist. Das hat nicht nur Klaus-Peter Loch vor drei Jahren den WM-Titel gekostet. Es ist schwer für jeden Athleten, früher gelernte und verinnerlichte Technik-Automatismen im Kampf ad acta zu legen. Wilhelms Wünsche sind bodenständig: „Wir hoffen, dass Stephanie mit tollen Eindrücken und verletzungsfrei zurück zu uns kommt“. Insgeheim aber liebäugelt wohl ganz Judo-Schmalkalden vielleicht doch mit einer Medaille und drückt die Daumen.